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Die Begriffe "Schreiben" und "Schreibprozess" werden häufig zu eng verwendet und auf ein "Aufschreiben" reduziert. Dabei gehört viel mehr dazu, um einen Text zu verfassen. Viele Forschende bevorzugen deshalb den Begriff "Textproduktion" (anstelle von "Schreiben"), da dieser weiter gefasst werden kann. Wir vertreten hier diese weite Auffassung. Denn, wie Sie selbst am besten wissen, braucht es viele und sehr unterschiedliche Handlungen und Arbeitsprozesse, damit am Ende ein Text vor einem liegt. Lesen, Schreiben und mit anderen Interagieren stellen Basishandlungen dar. Es können dabei zwei Ziele unterschieden werden: Im ersten Fall wird gelesen, geschrieben oder interagiert, um Erkenntnisse zu gewinnen. Wir bezeichnen diese Verwendung von Basishandlungen als "erkenntnisgenerierende Handlungen". Im zweiten Fall richtet sich das Lesen, Schreiben oder die Interaktion auf den zu schreibenden Text. Es handelt sich daher um "produktorientierte Handlungen". Wer sich intensiver mit dem Lesen auseinandersetzen möchte – auch in Verbindung mit Literaturverwaltung – findet auf den Seiten Lesen und Literaturverwaltung weitere Informationen. Auf dieser werden die Basishandlungen in Bezug auf den Schreibprozess im Allgemeinen näher erläutert.

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Erkenntnisgenerierende Handlungen

Im Rahmen eines Textproduktionsprojekts gewinnen Sie neues Wissen. Sie recherchieren nach Literatur, lesen, denken, arbeiten sich in eine Thematik ein. Während dieser Zeit lesen Sie Texte zu verschiedenen Zwecken. Eventuell möchten Sie sich in eine Methode einarbeiten, Sie möchten wissen, was andere bereits zu Ihrem Thema gesagt haben etc. Sie lernen durch das Lesen den Diskurs zu Ihrem Thema kennen, stellen Beziehungen zwischen Texten und/oder Diskursen her. Und nach und nach entwickeln Sie eine eigene Position und Stimme.  Sie Lesen evtl. "mit einem Stift in der Hand", machen sich Notizen, schreiben Gedankenfragmente auf, ent- und verwerfen erste Gliederungen etc. Eventuell reden Sie mit Freund*innen, Kommiliton*innen oder anderen Ihnen vertrauten Personen über das, was Sie bewegt.

Der Prozess der Erkenntnisgewinnung und der Aufbau von Wissen ist äußerst vielfältig und kann nur bis zu einem gewissen Maße kontrolliert und gesteuert werden. Schreiben kann hier als Technik eingesetzt werden. Die Schreibdidaktik hat viele Strategien identifiziert Aufgaben entwickelt, die sich besonders eignen, um Ideen zu entwickeln und/oder zu präzisieren. Grundsätzlich gilt für diese Techniken, dass sie sich nicht an den Anforderungen der Schreibaufgabe orientieren, sondern den Schreibenden Spiel- und Entfaltungsraum lassen. Sie können in anderen Sprachen als der in der Schreibaufgabe geforderten Sprache verfasst sein, Formalia spielen erst einmal keine Rolle, auch textuelle Strukturen (Überschriften etc.) können vernachlässigt werden. Alles ist möglich – und erlaubt! –, was Ihnen hilft, um gedanklich weiterzukommen. Das bedeutet aber auch, dass hier eventuelle Textfragmente entstehen, die nicht 1:1 in den abzugebenden Text übernommen werden können. Aber die schreibwissenschaftliche Forschung zeigt: Diese Form des erkenntnisgenerierenden Schreibens ist keine Zeitverschwendung, sondern durchaus effizient. Wenn nämlich bspw. sprachliche Anforderungen eine Herausforderung darstellen und Sie versuchen, einen noch nicht zu Ende gedachten Gedanken gleich "wie gedruckt" aufschreiben zu wollen, gelingt dies in der Regel nicht. Vielmehr besteht die Gefahr, dass Sie gar nicht schreiben. Dieser Gefahr begegnen Sie, wenn Sie sich davon entlasten, "wie gedruckt" schreiben zu wollen, sondern erst einmal versuchen zu klären, was sie eigentlich denken und aufschreiben möchten.

Mit einer anderen Person zu interagieren, also mit ihr zu reden oder auch sich schriftlich auszutauschen, unterstützt den Prozess der Ideenfindung ebenfalls sehr. Denn dadurch, dass wir etwas laut aussprechen oder etwas aufschreiben, um es jemand anders mitzuteilen, deren Reaktion bemerken, uns korrigieren, präzisieren, eine Sache "anders herum" erklären usw., gelingt es uns, Gedanken greifbar zu machen. Dabei spielt es eine untergeordnete bis keine Rolle, ob das Gegenüber inhaltlich von der Sache etwas versteht. Denn es geht um Sie und Ihr Denken. Probieren Sie es aus!

Lesetipp für literarisch Interessierte: Heinrich von Kleist (1805): Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden. Gutenberg-DE Edition 16 <https://www.projekt-gutenberg.org/kleist/gedanken/gedanken.html>

Produktorientierte Handlungen

Natürlich muss im Verlauf des Textproduktionsprozesses auch Text erzeugt werden, den Sie später abgeben können. Hierfür ist entsprechende Formulierungsarbeit zu leisten. Die Schreibaufgabe stellt Anforderungen, die Sie erfüllen müssen. Häufig wird die Sprache vorgegeben, in der der Text verfasst werden muss. Zudem müssen Sie Formalia, wie Zitationskonventionen, einhalten. Dies alles beeinflusst die Art und Weise, wie Sie schreiben, womit Sie sich wohlfühlen oder eventuell auch verunsichert sind. Phasen der Verunsicherung sind typisch für wissenschaftliche Textproduktionen. Denn Sie erwerben ja während der Beschäftigung mit Ihrem Schreibprojekt Wissen. Dieses fließt in Ihren Text ein.

Das produktorientierte Schreiben kommt nicht ohne Leseprozesse aus. Hierbei können zwei Formen unterschieden werden: Das Lesen von Texten anderer und das Lesen Ihres eigenen Textes.

Ein wissenschaftlicher Text bedarf immer einer Anbindung an wissenschaftliche Literatur, also Texte von anderen. Dies machen Sie über Zitate, Paraphrasen und Hinweise auf weiterführende Literatur. Produktorientiertes Lesen von Texten anderer zeichnet sich dadurch aus, dass Sie Ihr Wissen über den Text nur noch auffrischen. Sie kontrollieren, ob Autor X tatsächlich den Gedanken in der Form formuliert hat, wie Sie ihn benötigen. Oder sie suchen ein bestimmtes Zitat und überprüfen die Seitenzahl. Dann können Sie das Zitat, die Paraphrase oder den Verweis in Ihren Text einfügen. 

Stellen Sie fest, dass das Gesuchte nicht an dem Ort steht oder das Gedachte nicht mit dem übereinstimmt, was tatsächlich im Text steht und Sie beginnen, den Text verständnisorientiert zu lesen, verlassen Sie den produktorientierten Handlungsraum und das Lesen wird wieder erkenntnisgenerierend. Das ist der Grund, weshalb viele Schreibratgeber empfehlen beim produktorientierten Schreiben, den Griff zur Literatur in einem ersten Rutsch erst einmal zu lassen. Denn sobald das produktorientierte Schreiben durch einen Leseprozess unterbrochen wird, eröffnet man sich eine Ausstiegsoption aus dem Schreiben. Wenn Sie also feststellen, dass Sie kaum Text produzieren, weil Sie immer wieder anfangen zu lesen, lautet der Tipp: Unterbrechen Sie das produktorientierte Schreiben nicht. Wenn Sie einen Beleg, ein Zitat oder eine Paraphrase in Ihren Text einfügen möchten, dann schreiben Sie "***HIER NOCH ZITAT VON X EINFÜGEN!*** oder "***Quelle???!!!".

Tipp: Finden Sie Ihr System, mit sich selbst in den Dialog zu treten und formulieren Sie Arbeitsanweisungen an sich selbst in den Text. Diese können Sie dann bearbeiten, wenn Sie sich "leergeschrieben" haben. Bedenken Sie bitte: Niemand kann acht Stunden am Tag produktiv schreiben. Irgendwann ist jede*r "leer" und braucht eine Pause. Für einige kommt so ein Punkt nach einem Abschnitt, bei anderen nach einer bestimmten Zeit. Bei einigen früher, bei anderen später. Tages-, aber auch Trainingsform spielt eine Rolle. Denn Schreiben kann und muss man üben, um über einen längeren Zeitraum gut arbeiten zu können.

Das Lesen des eigenen Textesnimmt zum Ende immer mehr zu. Am Ende der Überarbeitungsphase lesen Sie nur noch Ihren eigenen Text - und keine mehr von anderen (zumindest nicht mehr, um diese noch in ihr Schreibprojekt einfließen zu lassen). Diese Beschränkung ist notwendig, um ein Schreibprojekt abzuschließen. Je nachdem, welchem Schreibtyp (LINK) Sie angehören, wird Ihnen diese Anforderung leichter oder schwerer fallen. Besonders Abenteuer*innen neigen dazu, nicht aufhören zu wollen, Texte von anderen zu lesen. Denn sie wollen ja Neues entdecken. Das, was man selbst aufgeschrieben hat, ist dann bekannt - und damit langweilig. Doch das Lesen des eigenen Textes ist notwendig, damit Sie sicherstellen, dass er auch tatsächlich Ihren Vorstellungen entspricht.

Viele Schreibende haben Schwierigkeiten, eigene Texte Korrektur zu lesen. Das liegt daran, dass wir gerne das lesen, was wir glauben, das in dem Text stehen müsste oder sollte, als das, was tatsächlich drin steht. Die Distanz fehlt. Ein "fremder" Blick hilft. Auch das ist eine Form der Interaktion.

Tipp: Formatieren Sie Ihren Text um, indem Sie einen andere Schriftart und/oder Schriftgröße wählen. Dadurch wird der Text anders umgebrochen und Sie können ihn "neu" anschauen. Gut ist es auch, wenn Zeit und Möglichkeit vorhanden sind, den Text vor der Abgabe noch einmal von einer anderen Person lesen zu lassen. 

Hinweis: Mitarbeitende des Schreibzentrum / Writing Center lesen immer nur Ausschnitte von Texten auf der Mikroebene und lehnen Anliegen ab, fertige Texte vollständig Korrektur zu lesen. Unsere Textkommentierungen zielen auf Überarbeitungen, weshalb hierfür immer Zeit von Ihrer Seite her einzuplanen ist.