Sie zeigen eine alte Version dieser Seite an. Zeigen Sie die aktuelle Version an.

Unterschiede anzeigen Seitenhistorie anzeigen

« Vorherige Version anzeigen Version 68 Nächste Version anzeigen »

Kompetente Schreibende sind in der Lage, ihr eigenes Schreibhandeln produktiv zu steuern. Wissen über den Schreibprozess und die Reflexion des eigenen Handelns tragen dazu bei, die benötigte akademische Schreib- und Textkompetenz zu entwickeln. Die Reflexion können Sie bspw. über eine Visualisierung Ihres Schreibprozesses anstoßen. Hierfür finden Sie weiter unten eine Reflexionsübung zum Einstieg.

Was du auf dieser Seite findest

Grundsätzliches über das Schreiben

Beim Schreiben treten wir mit uns selbst in einen Dialog. Doch werden von Schreibenden häufig andere Regeln verwendet, als sie sie bei einem Gespräch mit einer anderen Person anwenden würden. Einige sind im Umgang mit sich selbst sehr kritisch; andere vermeiden das Gespräch mit sich selbst und wieder andere leiden daran, nicht so handeln zu können, wie sie es sich vorstellen. Nur die wenigsten empfinden das Schreiben als eine Wohltat und lieben die Auseinandersetzung mit sich selbst. Doch für alle gilt:

Wissenschaftliches Schreiben stellt diverse Anforderungen. Diese betreffen einerseits den Prozess selbst, andererseits das zu erzeugende Produkt. Ob diese Anforderungen für Sie jedoch eine Herausforderung sind, liegt an Ihnen. Jede Person bringt ihre eigenen Erfahrungen und Einstellungen mit sich. Das ist die individuelle Seite des Schreibens. Die Anforderungen selbst bestehen unabhängig vom Individuum. Jede*r muss damit umgehen, den Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens zu gestalten. Jede*r muss die Anforderungen der Textform (Hausarbeit, Essay, Abschlussarbeit u.v.m.) erfüllen.

Etwas Theorie zum Einstieg: Der wissenschaftliche Schreibprozess

Wissenschaftliche Textproduktion beinhaltet mehrere, sich überlappende Phasen. Dies sind die Findungsphase, die Datenerhebungs- und -bearbeitungsphase, die Textformulierungsphase, die Überarbeitungsphase, die Fertigstellungsphase sowie die Prüfungs und ggfs. die Publikationsphase. Die Länge der Phasen ist individuell verschieden, sie enden jedoch in der angegebenen Reihenfolge. So kann die Findungsphase bis kurz vor Ende der Überarbeitungsphase andauern, jedoch nicht länger.

Jede Phase hat ihre eigene Charakteristik. Jede stellt an Schreibende spezifische Anforderungen. Wie Schreibende auf diese Anforderungen reagieren, ist individuell sehr verschieden. Was für die eine mit Leichtigkeit zu bewerkstelligen ist, ist für den anderen eine Herausforderung. Fakt ist: Viele Wege führen zum Ziel. Wir unterstützen Sie dabei, Ihren eigenen Weg zu finden! 

Lesen, Schreiben und Interaktionen sind Basishandlungen wissenschaftlicher Textproduktion. Allerdings sind sie nicht immer gleich. Je nachdem, welchem Zweck sie dienen, können sie als erkenntnisgenerierende oder produktorientierte Handlung beschrieben werden.

Erkenntnisgenerierende Handlungen

Im Rahmen eines Textproduktionsprojekts gewinnen Sie neues Wissen. Sie recherchieren nach Literatur, lesen, denken, arbeiten sich in eine Thematik ein. Während dieser Zeit lesen Sie Texte zu verschiedenen Zwecken. Eventuell möchten Sie sich in eine Methode einarbeiten, Sie möchten wissen, was andere bereits zu Ihrem Thema gesagt haben etc. Sie lernen durch das Lesen den Diskurs zu Ihrem Thema kennen, stellen Beziehungen zwischen Texten und/oder Diskursen her. Und nach und nach entwickeln Sie eine eigene Position und Stimme.  Sie Lesen evtl. "mit einem Stift in der Hand", machen sich Notizen, schreiben Gedankenfragmente auf, ent- und verwerfen erste Gliederungen etc. Eventuell reden Sie mit Freunden, Kommilitonen oder anderen Ihnen vertrauten Personen über das, was Sie bewegt.

Der Prozess der Erkenntnisgewinnung und der Aufbau von Wissen ist äußerst vielfältig und kann nur bis zu einem gewissen Maße kontrolliert und gesteuert werden. Die Schreibdidaktik bietet Techniken, die sich besonders eignen, um Ideen zu entwickeln und/oder zu präzisieren (LINK auf Schreibstrategien?). Grundsätzlich gilt für diese Techniken, dass sie sich nicht an den Anforderungen der Schreibaufgabe orientieren, sondern den Schreibenden Spiel- und Entfaltungsraum lassen. Sie können in anderen Sprachen als der in der Schreibaufgabe geforderten Sprache verfasst sein, Formalia spielen erst einmal keine Rolle, auch textuelle Strukturen (Überschriften etc.) können vernachlässigt werden. Alles ist möglich – und erlaubt! –, was Ihnen hilft, um gedanklich weiterzukommen. Das bedeutet aber auch, dass hier eventuelle Textfragmente entstehen, die nicht 1:1 in den abzugebenden Text übernommen werden können. Aber die schreibwissenschaftliche Forschung zeigt: Diese Form des erkenntnisgenerierenden Schreibens ist keine Zeitverschwendung, sondern durchaus effizient. Wenn nämlich bspw. sprachliche Anforderungen eine Herausforderung darstellen und Sie versuchen, einen noch nicht zu Ende gedachten Gedanken gleich "wie gedruckt" aufschreiben zu wollen, gelingt dies in der Regel nicht. Vielmehr besteht die Gefahr, dass Sie gar nicht schreiben. Dieser Gefahr begegnen Sie, wenn Sie sich davon entlasten, "wie gedruckt" schreiben zu wollen, sondern erst einmal versuchen zu klären, was sie eigentlich denken und aufschreiben möchten. 

Produktorientierte Handlungen

Natürlich muss im Verlauf des Textproduktionsprozesses auch Text erzeugt werden, den Sie später abgeben können. Hierfür ist entsprechende Formulierungsarbeit zu leisten. Die Schreibaufgabe stellt Anforderungen, die Sie erfüllen müssen. Häufig wird die Sprache vorgegeben, in der der Text verfasst werden muss. Zudem müssen Sie Formalia, wie Zitationskonventionen, einhalten. Dies alles beeinflusst die Art und Weise, wie Sie schreiben, womit Sie sich wohlfühlen oder eventuell auch verunsichert sind. Phasen der Verunsicherung sind typisch für wissenschaftliche Textproduktionen. Denn Sie erwerben ja während der Beschäftigung mit Ihrem Schreibprojekt Wissen (= LINK Erkenntnisgenerierende Handlungen). Dieses fließt in Ihren Text ein.

Das produktorientierte Schreiben kommt nicht ohne Leseprozesse aus. Hierbei können zwei Formen unterschieden werden: Das Lesen von Texten anderer und das Lesen Ihres eigenen Textes.

Ein wissenschaftlicher Text bedarf immer einer Anbindung an wissenschaftliche Literatur, also Texte von anderen. Dies machen Sie über Zitate, Paraphrasen und Hinweise auf weiterführende Literatur (LINK zu Zitation). Produktorientiertes Lesen von Texten anderer zeichnet sich dadurch aus, dass Sie Ihr Wissen über den Text nur noch auffrischen. Sie kontrollieren, ob Autor X tatsächlich den Gedanken in der Form formuliert hat, wie Sie ihn benötigen. Oder sie suchen ein bestimmtes Zitat und überprüfen die Seitenzahl. Dann können Sie das Zitat, die Paraphrase oder den Verweis in Ihren Text einfügen. 

Stellen Sie fest, dass das Gesuchte nicht an dem Ort steht oder das Gedachte nicht mit dem übereinstimmt, was tatsächlich im Text steht und Sie beginnen, den Text verständnisorientiert zu lesen, verlassen Sie den produktorientierten Handlungsraum und das Lesen wird wieder erkenntnisgenerierend. Das ist der Grund, weshalb viele Schreibratgeber empfehlen beim produktorientierten Schreiben, den Griff zur Literatur in einem ersten Rutsch erst einmal zu lassen. Denn sobald das produktorientierte Schreiben durch einen Leseprozess unterbrochen wird, eröffnet man sich eine Ausstiegsoption aus dem Schreiben. Wenn Sie also feststellen, dass Sie kaum Text produzieren, weil Sie immer wieder anfangen zu lesen, lautet der Tipp: Unterbrechen Sie das produktorientierte Schreiben nicht. Wenn Sie einen Beleg, ein Zitat oder eine Paraphrase in Ihren Text einfügen möchten, dann schreiben Sie "***HIER NOCH ZITAT VON X EINFÜGEN!*** oder "***Quelle???!!!".

Tipp: Finden Sie Ihr System, mit sich selbst in den Dialog zu treten und formulieren Sie Arbeitsanweisungen an sich selbst in den Text. Diese können Sie dann bearbeiten, wenn Sie sich "leergeschrieben" haben. Bedenken Sie bitte: Niemand kann acht Stunden am Tag produktiv schreiben. Irgendwann ist jede*r "leer" und braucht eine Pause. Für einige kommt so ein Punkt nach einem Abschnitt, bei anderen nach einer bestimmten Zeit. Bei einigen früher, bei anderen später. Tages-, aber auch Trainingsform spielt eine Rolle. Denn Schreiben kann und muss man üben, um über einen längeren Zeitraum gut arbeiten zu können (LINK Schreiben gestalten).

Das Lesen des eigenen Textes nimmt zum Ende immer mehr zu. Am Ende der Überarbeitungsphase lesen Sie nur noch Ihren eigenen Text - und keine mehr von anderen (zumindest nicht mehr, um diese noch in ihr Schreibprojekt einfließen zu lassen). Diese Beschränkung ist notwendig, um ein Schreibprojekt abzuschließen. Je nachdem, welchem Schreibtyp (LINK) Sie angehören, wird Ihnen diese Anforderung leichter oder schwerer fallen. Besonders Abenteuer*innen neigen dazu, nicht aufhören zu wollen, Texte von anderen zu lesen. Denn sie wollen ja Neues entdecken. Das, was man selbst aufgeschrieben hat, ist dann bekannt - und damit langweilig. Doch das Lesen des eigenen Textes ist notwendig, damit Sie sicherstellen, dass er auch tatsächlich Ihren Vorstellungen entspricht.

Viele Schreibende haben Schwierigkeiten, eigene Texte Korrektur zu lesen. Das liegt daran, dass wir gerne das lesen, was wir glauben, das in dem Text stehen müsste oder sollte, als das, was tatsächlich drin steht. Die Distanz fehlt. Ein "fremder" Blick hilft.

Tipp: Formatieren Sie Ihren Text um, indem Sie einen andere Schriftart und/oder Schriftgröße wählen. Dadurch wird der Text anders umgebrochen und Sie können ihn "neu" anschauen. Gut ist es auch, wenn Zeit und Möglichkeit vorhanden sind, den Text vor der Abgabe noch einmal von einer anderen Person lesen zu lassen. 

Hinweis: Mitarbeitende des Schreibzentrum / Writing Center lesen immer nur Ausschnitte von Texten auf der Mikroebene und lehnen Anliegen ab, fertige Texte vollständig Korrektur zu lesen. Unsere Textkommentierungen zielen auf Überarbeitungen, weshalb hierfür immer Zeit von Ihrer Seite her einzuplanen ist.

Das Kaskadenmodell wissenschaftlicher Textproduktion

Das Kaskadenmodell bildet den Prozess wissenschaftlicher Textproduktion ab, in dem es Phasen und Handlungen beschreibt. Je nachdem, um was für eine Textproduktion es sich handelt, variiert die Darstellung. So ist eine Publikationsphase für studentische Hausarbeiten in der Regel überflüssig (aber auch hier gibt es Ausnahmen!). Wer im Rahmen seiner Promotion eine Monographie schreibt, durchläuft einen anders strukturierten Prozess als beim kumulativen Promovieren. Hier abgebildet ist das Modell mit allen Phasen und Handlungen. Klicken Sie auf eine Phase oder Handlung, wenn Sie mehr über sie erfahren wollen.


Institutioneller Sprachhandlungsraum Wissenschaft



Wissenschaftliche Textproduktion

Phasen

Findungsphase: Suchen und Finden









Schreiben als Projekt: Den Schreibprozess bewusst gestalten









(Text)Formulierungsphase: Text schreiben










Überarbeitungsphase: Text überarbeiten












Fertigstellungsphase: Endredaktion












Prüfungsphase: Begutachtung, Verteidigung, Benotung












Publikationsphase: Veröffentlichen

Zeit


-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------->>

Handlungen


Erkenntnisgenerierende Handlungen








Lesen von Texten anderer








Epistemisch-heuristisches Schreiben









Daten erheben+vorbereiten










Daten auswerten









Produktorientierte Handlungen 









Formulieren des eigenen Textes








Lesen von Texten anderer









Lesen des eigenen Textes






Interaktionen



… mit der Betreuungsperson



… mit Peers


Dagmar Knorr erläutert in einem Video (27 min) die Phasen, in denen wissenschaftliches Schreiben abläuft und wie die verschiedenen Handlungen unterstützend eingesetzt werden können. Darüber hinaus stellt sie dar, wie diese Prozessbewältigung Teil der Anforderungen wissenschaftlichen Schreibens sind und wie Sie Ihre sprachlichen Ressourcen gewinnbringend einsetzen können.

Hier können Sie drei Varianten des Kaskadenmodells als pdf herunter laden:

Epistemisch-heuristisches Schreiben >> Dagmar guckt sich das an


Daten erheben, vorbereiten und auswerten >> Dagmar guckt sich das an

Text wäre identisch mit Schreiben als Projekt: Den Schreibprozess bewusst gestalten

Für die Mitarbeitenden des Schreibzentrum / Writing Center stellt sich Schreiben häufig so dar, wie es das Ausmalbild_Akademische-Textproduktion.pdfAusmalbild_Akademische-Textproduktion.pdf zeigt.

JPG (kleinere Dateigröße zum Herunterladen)


QUELLEN

Knorr, Dagmar (2016): Modell „Phasen und Handlungen akademischer Textproduktion“. Eine Visualisierung zur Beschreibung von Textproduktionsprojekten. In: Ballweg, Sandra (Hrsg.): Schreibzentrumsarbeit: Theorie, Empirie, Praxis. Frankfurt/Main u. a.: Lang [Wissen – Kompetenz – Text; 11], 251–273

Knorr, Dagmar (2021): Promovieren als handlungsorientiertes Projekt. Das Kaskadenmodell wissenschaftlicher Textproduktion. In: Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 2 (1), 14–17, <https://doi.org/10.3224/expose.v2i1.05>

Knorr, Dagmar (2023): Kaskadenmodell wissenschaftlicher Textproduktion. Überarbeitete Fassung. Lüneburg: Leuphana Universität Lüneburg. <https://doi.org/10.48548/pubdata-28>.


(Info) Zitiervorschlag für diese Wiki-Seite

Knorr, Dagmar (2020): Der Schreibprozess. Wiki "Schreiben im Studium | Academic Writing". Leuphana Universität Lüneburg. <https://lehrwiki.leuphana.de/display/SWCRessourcen/Der+Schreibprozess>



  • Keine Stichwörter